QuNET
Berlin, Jena, Erlangen, Oberpfaffenhofen-Weßling | 2. Dezember 2020

BMBF-Initiative QuNET präsentiert Systeme zur hochsicheren Quantenkommunikation

Eine Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) erforscht seit einem Jahr neue Möglichkeiten zur abhörsicheren Kommunikation. Die Initiative »QuNET« arbeitet an Verfahren, um Informationen zwischen Behörden oder in kritischen Infrastrukturen auszutauschen – ohne dass Dritte mithören können. Heute präsentierten Bundesforschungsministerin Anja Karliczek sowie die beteiligten Forschungsinstitute erste Ergebnisse. Im Rahmen einer Pressekonferenz des BMBF stellten sie die Grundlagen der Systemarchitektur sowie Systeme zum Austausch von Quantenschlüsseln über verschiedene Distanzen vor.

Datensicherheit als Grundlage der digitalen Demokratie

»Für die Bundesregierung hat der Schutz der Privatsphäre von Bürgerinnen und Bürgern auch in der digitalen Welt höchste Priorität. Ebenso ist für die Wirtschaft die Sicherheit des Datenaustausches von elementarer Bedeutung. Diese Sicherheit kann auf Dauer nur mit Hilfe von Quantenkommunikation erreicht werden«, sagte Bundesforschungsministerin Anja Karliczek anlässlich der Pressekonferenz.
Eine Gefahr für die abhör- und manipulationssichere Datenübertragung stellen unter anderem neuartige Quantencomputer dar. Sie werden in der Lage sein, bisher übliche Verfahren der Verschlüsselung zu umgehen. Schon heute werfen die Technologien der Zukunft ihre Schatten voraus: Nach dem Motto »Store now, decrypt later« (»Jetzt speichern, später entschlüsseln«) können bereits heute Daten abgespeichert und später, mithilfe leistungsfähigerer Rechner oder neuer Algorithmen, ausgelesen werden.
In einer digitalen Welt spielt Datensouveränität eine zunehmend große Rolle. (© Fraunhofer IOF)

Neuartige Quantenschlüssel erlauben hochsichere Verschlüsselung

Vor diesem Hintergrund erforscht die BMBF-Initiative QuNET seit Herbst 2019 die Potentiale der hochsicheren Quantenkommunikation für Gesellschaft und Wirtschaft. Ziel ist es, Deutschlands nationale technologische Souveränität sowie die Sicherheit und Vertraulichkeit von Daten auch im Angesicht neuer Kommunikationstechnologien zu wahren.
»Mein Ziel ist es, Deutschland im Bereich des ‚Quanteninternet‘ an die Weltspitze zu bringen. Deutschland kann auf diesem Gebiet zum Innovationsmotor der Europäischen Union werden und uns ein gutes Stück weiterbringen auf unserem Weg zur technologischen Souveränität. QuNET leistet hier einen wichtigen Beitrag. Bereits im ersten Jahr wurden im Projekt Technologien für eine quantengesicherte Verbindung zwischen zwei Bundeseinrichtungen entwickelt«, so Bundesministerin Anja Karliczek.
Verschränkte Photonen besitzen eine »spukhafte Fernwirkung«, wie schon Einstein es formulierte. (© Fraunhofer IOF)
Gemeinsam haben die in das Projekt involvierten Forschungsgesellschaften – die Max-Planck-Gesellschaft, die Fraunhofer-Gesellschaft sowie das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt– im vergangenen Jahr wichtige Grundlagen für moderne und sichere Kommunikationsstandards entwickelt. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben dabei ebenso die Gesamtarchitektur für Systeme zur quantensicheren Kommunikation betrachtet wie auch die Möglichkeiten zum Austausch von Quantenschlüsseln über lange, mittlere sowie kurze Distanzen mittels Freistrahl- und Fasersystemen.
Landkarte von Deutschland und Nachbarländern mit dem Netzwerk an zusammenarbeitenden QuNET-Instituten
QuNET will hochsichere Kommunikation im europäischen Raum ermöglichen. (© Fraunhofer IOF)

Vier Institute bringen ihr Knowhow in die Erforschung der Quantenkommunikation ein

Das Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts (MPL) in Erlangen entwickelt Systeme und Gesamtsystemarchitekturen, um durch Quantenschlüssel die Sicherheit von Kommunikation zu erhöhen. »Bei der Erforschung der Gesamtsystemarchitekturen benötigt man einen sehr interdisziplinären Ansatz und deswegen verbinden wir neuartige Verfahren mit etablierten Verfahren aus der klassischen Kryptographie«, erklärt Gerd Leuchs, Gründungsdirektor des MPL und heute Leiter der Emeritus Gruppe Optik und Informationsverarbeitung. »Dabei erlauben unsere Systeme den Austausch von Quantenschlüsseln auch unter Nutzung von großen Teilen der bereits vorhandenen Telekom-Technologie.«
Eine Forscherin im Labor des Max-Planck-Instituts für die Physik des Lichts konfiguriert das Gesamtsystem zum Austausch von Quantenschlüsseln. (© MPL)
Ein Team am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) forscht indes zu Systemen, die Quantenzustände über weite Strecken hinweg transportieren können. Genutzt werden dafür Flugzeuge oder Satelliten, die mittels optischer Freistrahlsysteme große Distanzen, etwa innerhalb Deutschlands oder zwischen verschiedenen Ländern, überbrücken können. »In QuNET entwickeln wir hier am DLR die notwendigen Bausteine, Kerntechnologien und Konzepte für die Gesamtsystemtechnik«, erklärt Institutsleiter Christoph Günther.
Die Fraunhofer-Gesellschaft entwickelt Technologien, welche die quantenbasierte Kommunikation auf kurzen und mittleren Distanzen ermöglichen, also innerhalb einer Stadt oder Metropolregion. Hierfür kommen Freistrahl-, aber auch Fasersysteme zum Einsatz. »Faserbasierte Systeme ermöglichen die Einbindung neuester Quantentechnologie in aktuell bereits vorhandene Kommunikationsnetze, zum Beispiel Glasfaserkabel«, erläutert Martin Schell, Leiter des Fraunhofer Heinrich-Hertz-Instituts HHI in Berlin.  Freistrahlsysteme hingegen, wie sie schwerpunktmäßig am Fraunhofer Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF in Jena erforscht werden, können kurzfristige und mobile Verbindungen realisieren. Hierfür werden in Jena Teleskope und Lichtquellen entwickelt.

Darüber hinaus setzt sich schwerpunktmäßig Fraunhofer mit der Entwicklung von Schnittstellen zwischen all diesen verschiedenen Teilkomponenten und deren Implementierung in bestehende Kommunikationsnetz-Infrastrukturen auseinander. »Auf diese Weise tragen wir zur Förderung eines heterogenen, hybriden Kommunikationsnetzes bei«, resümiert Andreas Tünnermann, Institutsleiter des Fraunhofer IOF und Sprecher des QuNET-Lenkungskreises.

Beirat aus Industrie und Bundesamt für Sicherheit unterstützen die weitere Entwicklung

Neben den drei federführenden Forschungsgesellschaften ist auch ein Beirat bestehend aus Expertinnen und Experten von Industrieunternehmen der Bereiche Telekommunikation, System- und Komponentenentwicklung, Sicherheit und Weltraumindustrie sowie des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik in die QuNET-Initiative eingebunden. Die Beteiligung weiterer Partner, vor allem aus der Industrie, ist geplant.

Zahlen und Fakten zur QuNET-Initiative

Start: Herbst 2019
Laufzeit: 7 Jahre
Fördergeber: Bundesministerium für Bildung und Forschung
Volumen: 125 Millionen Euro Förderung geplant

Die beteiligten Forschungsinstitute

Das Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF mit Sitz in Jena forscht an der Weiterentwicklung von Licht als Mittel zur Lösung unterschiedlichster Fragestellungen und Anwendungsszenarien. Die Arbeit des 1992 gegründeten Forschungsinstituts konzentriert sich daher auf die anwendungsorientierte Forschung an der Lichtentstehung, Lichtführung und Lichtmessung. Gemeinsam mit Forschenden aus der Grundlagenforschung und Industrie entstehen innovativen Lösungen, die in der Wissenschaft und Wirtschaft einen technologischen Vorteil bedeuten und für die Photonik neue Anwendungsfelder erschließen.
Innovationen für die digitale Gesellschaft von morgen stehen im Mittelpunkt der Forschungsarbeit des Fraunhofer Heinrich-Hertz-Instituts (HHI) in Berlin. Dabei ist das 1928 gegründete Institut weltweit führend in der Erforschung von mobilen und optischen Kommunikationsnetzen und -systemen sowie der Kodierung von Videosignalen und Datenverarbeitung. Gemeinsam mit internationalen Partnern aus Forschung und Industrie arbeitet das Fraunhofer HHI im gesamten Spektrum der digitalen Infrastruktur – von der grundlegenden Forschung bis zur Entwicklung von Prototypen und Lösungen. Das Institut trägt signifikant zu den Standards für Informations- und Kommunikationstechnologien bei und schafft neue Anwendungen als Partner der Industrie.
Das Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts (MPL) deckt ein breites Forschungsspektrum ab, darunter nichtlineare Optik, Quantenoptik, Nanophotonik, photonische Kristallfasern, Optomechanik, Quantentechnologien, Biophysik und – in Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Zentrum für Physik und Medizin – Verbindungen zwischen Physik und Medizin. Das MPL wurde im Januar 2009 gegründet und ist eines der über 80 Institute der Max-Planck-Gesellschaft, die Grundlagenforschung in den Natur-, Bio-, Geistes- und Sozialwissenschaften im Dienste der Allgemeinheit betreiben.  Heute arbeiten knapp 250 Menschen aus rund 30 Nationen am Institut. Die Forscher*innen verfügen zum Teil über jahrzehntelange Erfahrung im Bereich der Quantenkommunikation. Dabei verwenden sie auch Telekom-Technologie für den Austausch von Quantenschlüsseln, was erlaubt, die Verfahren schnell kommerziell zu nutzen. Darüber hinaus untersuchen die Erlanger seit mehr als zehn Jahren, wie sich die Schlüssel am Boden mit Laserlicht über mehrere Kilometer übertragen lassen (Freistrahlverbindung genannt) oder per Satellit über größere Distanzen. Dabei ist das MPL – auch in Zusammenarbeit mit der nationalen Industrie – an vielen großen nationalen und internationalen Projekten maßgeblich beteiligt.

Das Institut für Kommunikation und Navigation (IKN) des DLR widmet sich der missionsorientierten Forschung in ausgewählten Bereichen der Kommunikation und Navigation. Seine Arbeiten reichen dabei von den theoretischen Grundlagen bis hin zur Demonstration neuer Verfahren und Systeme im realen Umfeld und sind in die DLR-Programme Raumfahrt, Luftfahrt, Verkehr, Digitalisierung und Sicherheit eingebettet. Das Institut beschäftigt derzeit rund 190 Mitarbeitende, darunter 150 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, an den Standorten Oberpfaffenhofen und Neustrelitz. Das Institut erarbeitet Lösungen zur globalen Vernetzung von Mensch und Maschine, zur hochpräzisen und zuverlässigen Positionierung für zukünftige Navigationsanwendungen sowie Verfahren für autonome und kooperative Systeme im Verkehr und in der Exploration. Darüber hinaus befasst sich das Institut mit der Sicherheit von Funksystemen. Zu den Schwerpunkten in diesem Bereich zählen u.a. die Post-Quantum-Kryptografie und die Übertragung von Quantenschlüsseln über Satellit.

QuNET-Initiative: Fragen und Antworten

Warum diese Initiative?
Immer leistungsfähigere digitale Technologien wirken auf die Datennetzwerke von heute ein und sind zunehmend eine Gefahr für die Sicherheit dieser kritischen Infrastruktur der modernen Informationsgesellschaft. Hinzu kommt die voranschreitende Entwicklung zum Quantencomputer. Mit der Fähigkeit, eine Vielzahl von möglichen Optionen gleichzeitig zu berechnen und zu analysierten, werden nicht nur neue Chancen, sondern auch Risiken geschaffen. Viele der zurzeit weit verbreiteten Kernbestandteile der Verschlüsselung, auf denen die Sicherheit fußt, lassen sich damit brechen. Daher müssen vor allem Regierungsorganisationen, das Gesundheitssystem und sicherheitskritische Unternehmen ihre Sicherheitsinfrastrukturen überdenken und erneuern.

Was ist das Ziel der Initiative?
Primäres Ziel von QuNET ist die Entwicklung der physikalisch-technischen Grundlagen sowie der notwendigen Technologien für ein abhörsicheres Kommunikationsnetzwerk unter Nutzung von Quantenphysik. Doch QuNET ermöglicht mehr als nur sichere Kommunikation: Die perspektivischen Anwendungen der Übertragungen von Quantenzuständen reichen bis hin zu vernetzten Quantencomputern, dem sogenannten Quanteninternet. Dies eröffnet völlig neue Möglichkeiten für die Materialwissenschaften, im Finanzsektor oder bei der Entwicklung von Medikamenten.

Wie funktioniert Quantenverschlüsselung?
Das Ziel ist es, bestehende Kommunikationsnetzwerke durch eine Quantenschlüsselverteilung (QKD) auch langfristig sicher zu gestalten. Die Quantenverschlüsselung macht sich die Eigenschaft von Quantenteilchen zunutze, dass sie nicht unbemerkt vermessen oder kopiert werden können. So erzeugt z. B. eine Quantenquelle Lichtpulse, die zwischen zwei Orten ausgetauscht werden. Aus den Ergebnissen einer quantenmechanischen Messung würde eine Manipulation oder ein Abhören der Lichtpulse erkannt werden. Darauf aufbauend lassen sich zwei Schlüssel erzeugen, die nur dem Sender und Empfänger bekannt sind und die für eine Verschlüsselung genutzt werden können. Dieses Verfahren ist auch gegen alle zukünftigen Angriffe durch einen Quantencomputer sicher. Um größere Distanzen zu überwinden, können Satelliten mit Quantenquellen die Quantenschlüssel über interkontinentale Distanzen erzeugen, oder aber künftige Entwicklungen sogenannter Quantenrepeater (vgl. Q.Link.X) genutzt werden.

Wie ist der Stand der Technik bei der Quantenkommunikation?
Quantenkommunikation bietet viele mögliche Einsatzmöglichkeiten zum Wohl der Wirtschaft und der Gesellschaft. Davon ist der Quantenschlüsselaustausch (engl. Quantum Key Distribution, QKD) eines der wohl am besten untersuchten und international am weitesten fortgeschrittenen Beispiele.